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Entscheidungen im Verkehrsunfallrecht im Jahr 2019


Wie in jedem Jahr sind auch auf dem Gebiet des Verkehrsunfallrechts im Jahr 2019 zahlreiche Entscheidungen ergangen. Diese vollständig darzustellen ist nicht möglich. Die nachfolgende Zusammenstellung ist der Versuch, einen Überblick über wichtige und durchaus relevante Entscheidungen im Verkehrsunfallrecht zu geben. Die den Überschriften folgende Texte sind i.d.R. Leitsätze der Gerichte.

 

Hier eine erste Übersicht zu den Entscheidungen:

  • Geschädigter hat keine Kenntnis zur Unfallfreiheit des von ihm erworbenen und nunmehr unfallbeschädigten PKWs 
  • Schadensminderungspflicht: Ermittlung des Restwerts u.U. auch überregional
  • Betriebsgefahr: Unfallbeschädigtes Fahrzeug verursacht nach nur kurzer Zeit einen Brand – die am Unfall Beteiligten haften nach Grundsätzen der Betriebsgefahr
  • Keine Abrechnung des Unfallschadens durch den Leasingnehmer auf fiktive Herstellungskosten ohne Zustimmung des Leasingebers
  • Mietwagen: Unfallgeschädigter muss u.U. im Rahmen der Schadensminderungspflicht einen vom Haftpflichtversicherer vermittelten Mietwagen zu einem günstigeren Tarif nehmen
  • Nutzungsausfall bei Firmenfahrzeug

 


Geschädigter hat keine Kenntnis zur Unfallfreiheit des von ihm erworbenen und nunmehr unfallbeschädigten PKWs


In einem solchen Fall darf er die Unfallfreiheit behaupten und unter Beweis stellen.

 

Behauptet der Geschädigte eines Verkehrsunfalles, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und den beschädigten Pkw in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann ihm nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich nicht gehindert, die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Darin liegt weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger. 

 

BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2019 -VI ZR 377/18 

 

 

Schadensminderungspflicht: Ermittlung des Restwerts u.U. auch überregional


  1. Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, son-dern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Festhaltung Senatsurteil vom 27.September 2016 -VI ZR 673/15, NJW 2017, 953).
  2. Etwas anderes gilt nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem An-und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst. In diesem Fall ist dem Geschädigten bei subjektbezogener Schadensbetrachtung die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote zuzumuten.

BGH, Urteil vom 25. Juni 2019 -VI ZR 358/18

 

 

Betriebsgefahr: Unfallbeschädigtes Fahrzeug verursacht nach nur kurzer Zeit einen Brand – die am Unfall Beteiligten haften nach Grundsätzen der Betriebsgefahr


  1. Die Realisierung des Schadens erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen steht der Zurechnung der Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs.1 StVG nicht entgegen, wenn die beim Betrieb geschaffene Gefahren-lage solange fort-und nachwirkte.
  2. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wird durch einen Sorg-faltspflichtverstoß eines mit der Schadensbeseitigung beauftragten Dritten in der Regel nicht unterbrochen.

BGH, Urteil vom 26. März 2019 -VI ZR 236/18 -OLG Celle

 

 

Keine Abrechnung des Unfallschadens durch den Leasingnehmer auf fiktive Herstellungskosten ohne Zustimmung des Leasingebers


Der Leasingnehmer, der die Pflicht zur Instandsetzung des Leasingfahrzeuges gegenüber dem Leasinggeber und Eigentümer für jeden Schadensfall über-nommen und im konkreten Schadensfall nicht erfüllt hat, kann nicht ohne Zu-stimmung (§182 BGB) des Eigentümers gemäß §249 Abs.2 Satz1 BGB vom Schädiger statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangen. 

 

BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 -VI ZR 481/17 

 

 

Mietwagen: Unfallgeschädigter muss u.U. im Rahmen der Schadensminderungspflicht einen vom Haftpflichtversicherer vermittelten Mietwagen zu einem günstigeren Tarif nehmen


Ein Unfallgeschädigter kann aufgrund der ihn gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB treffenden Schadensminderungspflicht auch dann gehalten sein, ein ihm vom Kfz-Haftpflichtversicherer vermitteltes günstigeres Mietwagenangebot in Anspruch zu nehmen, wenn dem günstigeren Angebot ein Sondertarif zugrunde liegt, der ihm ohne Mithilfe des Versicherers außerhalb eines Unfallersatzgeschäfts nicht zur Verfügung stünde (Fortführung Senatsurteil vom 26. April 2016 -VI ZR 563/15, NJW 2016, 2402 Rn. 9; Abgrenzung zu Senatsurteilen vom 28.April 2015 -VI ZR 267/14, NJW 2015, 2110 Rn. 10; vom 22. Juni 2010 -VIZR 337/09, NJW 2010, 2725 Rn. 7 f.).

 

BGH, Urteil vom 12. Februar 2019 -VI ZR 141/18

 

 

Nutzungsausfall bei Firmenfahrzeug


  1. Lassen sich bei dem vorübergehenden Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs die materiellen Auswirkungen des Ausfalls des Fahrzeugs quantifizieren, kann eine (abstrakte) Nutzungsausfallentschädigung nicht verlangt werden. Das gilt unabhängig davon, ob das ausgefallene Fahrzeug unmittelbar der Gewinnerzielung dient, weil der Ertrag allein mit Transportleistungen erzielt wird, oder nur mittelbar, nämlich zur Unterstützung einer anderen gewerblichen Tätigkeit eingesetzt wird.
  2. Der Betriebsbereitschaft eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs, also seiner ständigen Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit, kommt kein eigenständiger Vermögenswert zu, weshalb der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit als solcher kein Schaden ist. Der Geschädigte kann für die Gebrauchsentbehrung –unabhängig vom Eintritt eines Erwerbsschadens oder darüber hinaus-keine (abstrakte oder an den Vorhaltekosten orientierte) Nutzungsausfallentschädigung verlangen.
  3. Die Rechtsprechung, wonach die infolge eines zum Schadensersatz verpflichten-den Ereignisses entfallende Möglichkeit des Geschädigten, private, eigenwirtschaftlich genutzte Sachen oder Güter plangemäß verwenden oder nutzen zu können, einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen kann, ohne dass hier-durch zusätzliche Kosten entstanden oder Einnahmen entgangen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1986 -GSZ 1/86, BGHZ 98, 212), ist auf die Nutzung von Sachen oder Gütern, die ausschließlich erwerbswirtschaftlich genutzt werden, nicht übertragbar.

BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 -VII ZR 285/17