· 

Entscheidungen im Arbeitsrecht im Jahr 2019


Wie in jedem Jahr sind auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts im Jahr 2019 zahlreiche Entscheidungen ergangen. Diese vollständig darzustellen ist nicht möglich. Die nachfolgende Zusammenstellung ist der Versuch, einen Überblick über wichtige und durchaus relevante Entscheidungen im Arbeitsrecht zu geben.


Hier eine erste Übersicht zu den Entscheidungen:

  • Zugang einer Kündigung
  • Freistellung eines Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung
  • Zeitlich begrenztes Projekt als sachlicher Grund für eine Befristung
  • Sachgrundlose Befristung bei einer 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung
  • Sozialplanabfindung – Benachteiligung wegen Alters oder Behinderung

 

  • Überstundenprozess – Auskunftsklage eines Lkw-Fahrers nach dem Arbeitszeitgesetz
  • Urlaub während des Sonderurlaubs
  • Wann verfällt Urlaub
  • Erben haben Anspruch auf Urlaubsabgeltung
  • Änderung der Rechtsprechung: Keine sachgrundlose Befristung bei 8 Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung
  • Überstundenausgleich bei Freistellung

Zugang einer Kündigung


  1. Das in einen Hausbriefkasten eingeworfene Kündigungsschreiben geht dem Empfänger in dem Zeitpunkt zu, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist (Rn. 12)
  2. Die Feststellung des Bestehens und Inhalts einer Verkehrsanschauung ist eine im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage, deren tatrichterliche Beantwortung nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle daraufhin unterliegt, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Rn. 14).
  3.  Die Fortdauer des Bestehens oder Nichtbestehens einer Verkehrsanschauung wird nicht vermutet. Zu den tatsächlichen Grundlagen einer gewandelten Verkehrsanschauung muss das LAG Feststellungen treffen (Rn. 16). (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)

 
BAG, Urteil vom 22.8.2019 – 2 AZR 111/19
 

 

Freistellung eines Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung


  1. Der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz ist nicht allein auf die Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung gerichtet. Das Gesetz verlangt darüber hinaus, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. Aus diesem Grunde erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur dann wirksam Urlaub, wenn er ihm die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt (Rn. 11 ff.).
  2. Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Urlaubsentgelt nicht vor Urlaubsantritt aus, ist die Urlaubserteilung des Arbeitgebers jedenfalls im bestehenden Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben in der Regel gesetzeskonform so zu verstehen (§ BGB § 157 BGB), dass der Arbeitgeber damit zugleich streitlos stellt, dass er für den gewährten Urlaub dem Grunde nach zur Zahlung von Urlaubsentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben und etwaigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet ist (Rn. 21). 

BAG, Urt. v. 20.8.2019 – 9 AZR 468/18  

 

 

Zeitlich begrenztes Projekt als sachlicher Grund für eine Befristung


  1. Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § TZBFG § 14 TZBFG § 14 Absatz I 2 Nr. TZBFG § 14 Absatz 1 Nummer 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Die Übernahme eines zeitlich begrenzten Projekts, für dessen Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht ausreicht, kann einen vorübergehenden Beschäftigungsbedarf in dem Betrieb oder der Dienststelle begründen. Das setzt voraus, dass es sich bei den im Rahmen des Projekts wahrzunehmenden Aufgaben um auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgaben handelt (Rn. 21 f.).
  2. Zu den Daueraufgaben eines Arbeitgebers gehören die Tätigkeiten, die er im Rahmen seines Betriebszwecks ständig und im Wesentlichen unverändert wahrnimmt. Zusatzaufgaben sind dagegen Tätigkeiten, die entweder nur unregelmäßig – etwa aus besonderem Anlass – anfallen oder mit unvorhersehbaren besonderen Anforderungen auch in Bezug auf die Qualifikation des benötigten Personals verbunden sind und deshalb keinen vorhersehbaren Personalbedarf sowohl in quantitativer Hinsicht als auch in Bezug auf die Qualifikation des benötigten Personals verursachen. Die Verwaltung eines zeitlich begrenzten Förderprogramms kann dann zu den Daueraufgaben gehören, wenn derartige Verwaltungsaufgaben im Rahmen von Förderprogrammen ständig und im Wesentlichen unverändert anfallen und einen auf längere Zeit planbaren Personalbedarf begründen (Rn. 23 f.).

 

BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 572/17

 

 

Sachgrundlose Befristung bei einer 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung


Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden. In einem solchen Fall ist es geboten, § TZBFG § 14 TZBFG § 14 Absatz II 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Anwendung des Verbots dennoch gebieten könnten.

 

BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17

 

 

Sozialplanabfindung – Benachteiligung wegen Alters oder Behinderung


BAG, Urt. v. 16.7.2019 – 1 AZR 842/16 

 

 

Überstundenprozess – Auskunftsklage eines Lkw-Fahrers nach dem Arbeitszeitgesetz


Der Auskunftsanspruch nach § ARBZG § 21 a ARBZG § 21A Absatz VII 3 ArbZG kann zulässiger Gegenstand der ersten Stufe einer Stufenklage im Sinne des § ZPO § 254 ZPO sein.

 

BAG, Urt. v. 28.8.2019 – 5 AZR 425/18 

 

 

Urlaub während des Sonderurlaubs


Wer wegen Sonderurlaubs in einem Kalenderjahr durchgehend nicht arbeitet, kann keinen Erholungsurlaub für diesen Zeitraum beanspruchen.

 

BAG,  Urt. v. 19.03.2019, Az.  9 AZR 315/17

 

 

Wann verfällt Urlaub


Urlaubsansprüche dürfen nur noch verfallen, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber muss darüber hinaus sogar auffordern, Urlaub zu nehmen, und über den drohenden Verfall aufklären.

 

EuGH Urt. v. 06.11.2018, Az. C-684/16, Umsetzung dieses Urteils durch den BAG bereits Anfang 2019

 

 

Erben haben Anspruch auf Urlaubsabgeltung


EuGH, Urt. v. 22.01.2019, Az. 9 AZR 45/19

 

 

Keine sachgrundlose Befristung bei 8 Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung


Änderung der Rechtsprechung.

BAG, Urt. v. 23.01.2019, Az. 7 AZR 733/16 

 
 

Überstundenausgleich bei Freistellung


Nur, wenn Arbeitgeber dies ausdrücklich erklärt und dem Arbeitnehmer erkennbar ist, was abgegolten wird.

 

BAG (Urt. v. 20.11.2019, Az. 5 AZR 578/18